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Transformers (2007): Vom Kinderspielzeug via Hollywood zur Militär-Propaganda

Zum Aufwärmen, ein kleiner Perspektivenwechsel Die Schweiz vom Krieg zerstört – stell dir das mal vor. Deine Heimatstadt in Schutt und Asche, Nahrungsknappheit, Chaos, überall Checkpoints. Deine Mutter ist eines Abends nicht mehr nach Hause gekommen. Am nächsten Morgen findest du sie erschossen vor der Haustüre liegen. Eine Woche später ist es dein Nachbar. Übermorgen vielleicht du. Nichts ist mehr so wie es war, seit die Armee der Vereinigten Staaten in unser kleines Land einmarschiert ist. Sie wollen den sogenannten Terror in Europa bekämpfen, die vermeintliche ISIS-Infestation ausmerzen. Du sehnst dich nach besseren Zeiten, aber der Krieg dauert schon so lange, dass du langsam vergisst, was das bedeutet.

Und jetzt stell dir weiter vor, aus dem idyllischen Amerika kommt der neue Sommer-Hollywood-Blockbuster in die Kinos. Transformers heisst er. Gute und böse Alien-Roboter, welche sich auf der Erde ein episches Battle um einen magischen Kubus liefern, der die Macht zu neuem Leben enthält. Es geht um nichts Geringeres als die Herrschaft über das Universum. Mitten drin der Teenager Sam Witwicky und seine Freundin Mikaela Banes. Michael Bay, bekannt für seine der explosionsreichen Action-Filme, hat Regie geführt. Du freust dich auf die Ablenkung. Der Film fängt an. Zuerst ein kurzes Intro über die Geschichte der guten Autobots und wie es zu der Zerstörung ihres Planeten durch die bösen Decepticons kam. Dann ein Schnitt. Der Schatten eines Helikopters über den Bergen. Ein Einblender erscheint: Italien – Europa. Dir ist unwohl. Du erkennst den Helikopter, das Geräusch seiner Propeller. Sie umkreisen täglich über deine Stadt. Dann ein Schnitt zu den Soldaten im Inneren. Sie witzeln miteinander, schäkern, sagen, dass sie wieder nach Hause wollen. Ja, verschwindet doch endlich, denkst du dir. Sie landen. Dir wird übel. Es ist die Aviano Air Base im Nordosten Italiens. Dort hat die US-Armee ihren Europa Hauptstützpunkt. Von dort aus planen sie die Angriffe auf deine Stadt, von dort aus kommen sie in dein Land und zerstören dein Leben.

Und jetzt – wie fühlst du dich dabei, wenn die Verursacher deines Leidens eine Hauptrolle in einer 150 Millionen Produktion bekommen? Behalte dieses Gefühl mal im Hinterkopf. Wir kommen später darauf zurück.


Ein blendender Erfolg Weltweit spielte Transformers (2007) knapp 710 Millionen US-Dollar ein. Setzte neue CGI-Massstäbe, erhielt 3 Oscar-Nominationen, machte die Schauspieler zu Stars. Allein in den USA wurde der Film am Eröffnungswochenende in über 4000 Kinos gezeigt und feierte in 61 weiteren Ländern seine Premiere (boxofficemojo.com, imdb.com, 2018). Der Sci-Fi-Fantasy-Streifen war also ein Mega-Erfolg. Wer den Film kennt, weiss natürlich, dass die oben beschriebene Szene nicht in Italien sondern in Katar auf der Al-Udeid Air Base spielt. Wenn du die Kriege der USA mitverfolgt hast oder es noch tust, gibt dir das vermutlich bereits einen Hinweis. Der Film ist durchzogen von Militarismus. Und dies nicht, weil es die kreative Entscheidung des Regisseurs gewesen wäre. Um dem ganzen einen Sinn zu geben, rollen wir die Sequenz mit dem Kampf-Helikopter nochmals von vorne auf…


Schaut mal her wie toll wir sind Der Schatten eines Helikopters schweift über weissen Wüstensand. Verheissungsvolle Musik im Hintergrund durchmischt mit dem satten Rattern der Propeller. Ein Schriftzug blendet ins Bild hinein. «Qatar – Middle East – Present Day». Eine Weite zeigt daraufhin, dass zwei Helis nebeneinander unterwegs sind. In einem davon sitzen Captain William Lennox und seine Truppe. Der Latino-stämmige Jorge Fig Figueroa schwärmt von Alligatoren-Fleisch, während der Afro-Amerikaner Epps sich darüber nervt. Fig fängt an auf Spanisch weiter zu schwärmen. Darüber regen sich nicht nur Epps sondern auch Lennox auf. Sie bitten ihn Englisch zu sprechen, da sie ihn nicht verstehen. In der Szene wird deutlich, dass Fig immer wieder Spanisch spricht und seine Kollegen ihn nicht zum ersten Mal ermahnen. Donnelly, ein Rothaariger mit Brille, schwärmt seinerseits von Football, HotDogs und schalem Bier. Auf die Frage hin, was Captain Lennox’s perfekter Tag ist, antwortet er: «I just can’t wait to hold my baby girl for the first time». Es folgen vier Einstellungen, welche zeigen wie die Flugobjekte auf der Base landen. Mal im Tageslicht, mal im Gegenlicht der untergehenden Sonne. Dann folgen vier weitere Einstellungen, welche zeigen, wie die Soldaten aussteigen, während die Helis immer im Bild zu sehen sind. Gemeinsam laufen sie gut gelaunt Richtung Camp.

Ästhetisch, ja fast schon majestätisch werden die beiden Bell-Boeings dargestellt (boeing.com, 2018). Das gleichmässige, kräftige Drehen der Propeller im Licht der untergehenden Sonne. Sympathisch sind auch die Soldaten, die vom einfachen Glück träumen und der Captain, der sich zwar für sein Land opfert, aber im Herzen ein Familienmensch ist. Im Film sind das etwa zwei Minuten. Fast wie ein Werbespot, hat das amerikanische Verteidigungsministerium doch als Berater und Unterstützer im Film fungiert. Da die Armee von Steuerzahlern finanziert wird, hat grundsätzlich jede FilmemacherIn das Recht, die Mittel dieser Institution für sich zu beanspruchen. Verwendung ohne Nutzung ist kostenlos, doch sobald ein Jet in die Luft geht, wird stündlich abgerechnet. Transformers konnte so ein Maximum an militärischer Authentizität in die Handlung einweben und massiv Produktionskosten sparen. Aber, und es ist ein grosses, fettes ABER, gibt die Produktionsfirma dabei auch die Kontrolle über den eigenen Film ab. Ein Berater ist ständig am Set, das Drehbuch muss genehmigt und die finale Filmversion ebenfalls vom Pentagon durchgewinkt werden. Wenn es ihnen nicht passt – Pech! Ein Vertrag erzwingt den Änderungen Folge zu leisten. Bei den Anpassungen geht es nicht nur darum, das Militär fachlich korrekt darzustellen, sondern auch dem erwünschten Image gerecht zu werden (theguardian.com, renegadeinc.com, 2018). Unter diesem Aspekt bekommt jede Szene, welche ein militärisches Element enthält, ein ganz anderes Gewicht. Es bedeutet, dass der Inhalt in dieser Form, wie es im Film zu sehen ist, zu 100% geplant, gewollt und von oberster Stelle durchgewinkt wurde. Gleich in den ersten paar Minuten des Films präsentiert das Verteidigungsministerium seine Flugwaffen und gleich zu Beginn demonstriert es seine Präsenz im Nahen Osten. Interessant ist auch, dass Katar mit «Naher Osten» angeschrieben wird. Das ist wie, wenn China mit Asien beschriften oder Schweiz mit Europa. So als möchte das Verteidigungsministerium klarstellen, für all jene, die vielleicht nicht wissen, wo Katar ist, dass es DER Nahe Osten ist. Nämlich jener, in welchem sie den Krieg gegen den Terror führen.


Familientreu, gemütlich, kinderfreundlich… In der gleichen Sequenz telefoniert Captain Lennox mit seiner Frau via Webcam. Es ist nicht im Geringsten ein Problem, dass er die Geburt seiner kleinen Tochter verpasst hat. Unterstützt doch seine Frau auf ihre Art den Krieg. Sie ist eine verständnisvolle Ehefrau, welche die Sicherheit der Nation an oberste Stelle setzt. Der Alltag auf der Air Base gleicht einem gemütlichen Jahrmarkt. Zumindest wird dieses Bild vermittelt. Gediegen und entspannt treiben sich die Soldaten herum. Unter einer mit «The Lagoon» beschrifteten Tafel tummeln sich Soldaten in aufblasbaren Kinderplanschbecken. Epps spielt sogar Basketball. Dann kommt Mahfouz, ein Katari Junge, lächelnd angerannt. Er trägt einen weissen Kaftan, darüber ein Jackett und eine ebenfalls weisse Kopfbedeckung (Kufi). «Water?» fragt er und streckt Lennox einen mit Wasser gefüllten Trinkrucksack entgegen. «Oh, thank you. Are you gonna help me with the gear?» fragt der Captain zurück. Hier drängt sich die Frage auf, was ein etwa 11-jähriger Junge alleine auf einer Militär-Basis zu suchen hat? Obwohl Katar das reichste Land der Welt ist (Fortune.com, 2018), glaube ich, dass diese Szene neo-kolonialistisch inspiriert ist. Der Katari-Junge dient ihren US-Soldaten. Als würden sie sagen wollen: Wir sind vielleicht abhängig von euren Rohstoffen, aber dennoch gehört eure Zukunft uns. Ohne unseren Schutz, seid ihr den weitaus besser ausgerüsteten Nachbar-Mächten ausgeliefert. Als folgend ein Decepticon, einer der bösen Aliens, in Form eines Hubschraubers auf der Basis landet, sich verwandelt und angreift, wird demonstriert, dass das US-Militär Flugobjekte bis zu 15 Kilometer weit orten kann. Der Kommandant, der die Befehle gibt nimmt seinen Job todernst: «Have your crew step out or we will kill you». Im Kampfgewimmel schafft es Captain Lennox sogar den kleinen Mahfouz zu schützen. Was für ein Held. Vielleicht wurde ja Mahfouz auch deswegen in die Story eingewebt, um den Captain gut aussehen zu lassen. Bei echten Angriffen sterben die Kinder vermutlich immer zuerst, doch nicht in Hollywood. Gerettete Kinder sind ideal für den Feel-Good-Vibe. Obwohl die ganze Besatzung der Al-Udeid Base vom Decepticon niedergemacht wird (ausser Lennox und seine Truppe, die fliehen können), sieht der Zuschauer keinen einzigen Toten. Das Gemetzel ist wie ein grosses Spektakel mit Explosionen, Knallgeräuschen, fliegenden Panzern, aber kein Tropfen Blut.


Ein bereicherndes Arsenal – Was das Militär sonst noch so im Angebot hat Zu einem späteren Zeitpunkt im Film wird die Sequenz fortgesetzt. Lennox, Mahfouz und sechs weitere Soldaten sind in der Wüste unterwegs, suchen ein Telefon, um das Pentagon zu kontaktieren. Kurz bevor sie eine kleine Ruinenstätte erreichen, werden abermals von einem Decepticon angegriffen. Lennox übergibt Mahfouz seinem Vater, der oh Wunder in dieser Ruinenstadt was weiss ich treibt und per Zufall auch gerade ein Handy hat. Nachdem Epps es schafft das Pentagon zu kontaktieren, kommt es zu einem weiteren Showdown des US-Militärs. Durch Satelliten orten sie ihre Soldaten und erhalten gestochen scharfe Bilder. Dann verbinden sie den Anruf mit der Zentrale eines AWAC (Airborne Warning and Control System). Diese senden einen MQ-1 Predator los, eine mit Geschützen ausgerüstete Drohne. Doch das genügt nicht, also steigen Air Force Piloten sofort in ihre Fairchild-Republic A-10A Thunderbolt II’s und sind in Null-Komma-Nichts bei der Ruinenstätte und bombardieren den Alien. Dieser wiederum wird von den Soldaten mit den Lasern auf ihren Waffen markiert, damit die Piloten ihr Ziel erkennen. Als diese es auch nicht schaffen den Alien-Roboter niederzustrecken, fordert Epps 105 Shells. Ein Lockheed AC-130H Spectre, wirft dann das besagte 105mm Geschoss ab. Doch der Alien entkommt dennoch. Dann ein Schnitt zum Verteidigungsminister der die beschützenden Worte «Bring’em home» äussert. Lennox und die restlichen Soldaten werden von einem Bell UH-1 Iroquis abgeholt.


Früh konditioniert, wer später ernten will Mit der Analyse der beiden Katar-Sequenzen kratze ich leider nur an der Oberfläche. Was für eine Fülle an Sexismus, ethnischer Diskriminierung, Gewaltdarstellung, Pro-Militär-Propaganda und Werbeplatzierungen Transformers (2007) noch so bietet. Alles schön verpackt in einer Produktion freigegeben für 12-Jährige. Es ist eine Produktion, welche Millionen eingenommen und somit auch von Millionen gesehen wurde. Der zensurierende Arm des Verteidigungsministeriums reicht erschreckend tief in die Höhlen von Hollywood. Wie Tom Secker und Matthew Alford in ihrem Buch National Security Cinema (2017) aufdeckten, haben die CIA und das Pentagon hunderte von Drehbüchern umgeschrieben. Wobei wirklich ein Geheimnis aus ihrem Einfluss hat das Ministerium nie wirklich gemacht. Phil Strub, Vorsitzender des US Department Defense Film Liaison Unit, ist der Mann, der entscheidet, ob ein Film die nötige militärische Unterstützung erhält. In einem Interview mit Business Insider (2014) bezeichnet er es offen als «…mutual exploitation. We’re after military portrayal, and they’re after our equipment». Oder bereits 2006, in einem Artikel des American Forces Press Service, sprach ein Lieutenant darüber, dass sie die maximale Richtigkeit anstreben. Er gibt auch zu, mit den Regisseuren zu diskutieren, wenn es zu «creative differences» kommt. Der Einfluss geht so weit, dass jedes Departement des US-Militärs in Los Angeles seine eigene Zweigstelle für filmtechnische Anfragen hat. Ein profitables Geschäft, welches seriöse Militär-Propaganda betreibt und sich so finanzielle Unterstützung der Steuerzahler sichert. Auch der Nachwuchs tröpfelt herein und das Rad der Waffenindustrie dreht sich ebenfalls stetig weiter.


Verantwortung weit gesucht Aus medienethischer Perspektive ist dies einfach nur pervers. Jeder Mensch ist verantwortlich für seine eigenen Taten. Und wenn ich einen Film als eine Tat bezeichne, sehe ich nicht ein, wo ein Regisseur wie Michael Bay diese Verantwortung übernimmt. Wo überhaupt irgendjemand diese Verantwortung übernimmt. Ein Film vermag ein Realitätsbild zu schaffen, dass unserer eigenen gelebten Realität sehr nahekommt. Ich behaupte sogar, dass Hollywood es geschafft hat unsere Realität durch ihre eigene Darstellung zu ersetzten. Nicht mehr wir sind der Massstab, sondern Hollywoods Idee von Romantik, Sex, Freundschaft, Streit, Versöhnung und eben auch Krieg. Unsere Spiegelneuronen, welche uns im Alltag erlauben Empathie zu empfinden, werden im Kino genauso getriggert, eben weil ein Film uns Menschen imitiert. Das Verteidigungsministerium und im übertragenden Sinn Transformers nutzt mein Unwissen aus in Bezug auf den Krieg, die politische Lage im Nahen Osten, das Soldatenleben… kommt es doch daher wie die Wahrheit. Besonders Kinder haben nicht die Fähigkeit diese Darstellung zu hinterfragen. Und wenn mir die Bildung fehlt, fehlt mir diese Fähigkeit egal welchen Alters. Dass die realen Hintergründe der Al-Udeid Base in Katar, eingebettet in einem fiktionalen Unterhaltungs-Rahmen, verharmlost werden, geht auf Kosten der Millionen von Menschen, welche durch die US-Amerikanische Besetzung ihr Leben gelassen haben. Besonders auch, weil im Jahr 2007, als der Film erschien, der Krieg im Irak noch in vollem Gange war.

Und jetzt komme ich nochmals darauf zurück: Wie würdest du dich fühlen, wenn die Verursacher deines Leidens eine Hauptrolle in einer 150 Millionen Produktion bekommen? Meiner Meinung nach, ist das die einzige Fragestellung, die es hier zu beantworten gibt.

Quellen

Transformers (2018, 1. April) Aufgerufen von http://www.boxofficemojo.com/movies/?id=transformers06.htm

Transformers (2007) (2018, 1. April) Aufgerufen von http://www.imdb.com/title/tt0418279/?ref_=ttrel_rel_tt

V-22 Osprey (2018, 1. April) Aufgerufen von http://www.boeing.com/defense/v-22-osprey/

Secker, T., Alford, M. (2017, 17. Juni) How Hollywood promotes war on behalf of the Pentagon, CIA and NSA. Aufgerufen von https://renegadeinc.com/how-hollywood-promotes-war-on-behalf-of-the-pentagon-cia-and-nsa/

Smith, S. D. (2006, 21. August, LA) Hollywood, Military Cooperation Often Mutually Beneficial. In American Forces Press Service. Aufgerufen von http://archive.defense.gov/news/newsarticle.aspx?id=516

Rose, S. (2009, 6. Juli) The US military storm Hollywood. Abgerufen von https://www.theguardian.com/film/2009/jul/06/us-military-hollywood

Miller, J. W. (2017, 21. Dezember) America needs Qatar’s Al Udeid Air Base to fight the war on terrorism. Aufgerufen von http://thehill.com/opinion/national-security/366029-america-needs-qatars-al-udeid-air-base-to-fight-the-war-on

Segara, L. M. (2017, 12. November) These Are the Richest Countries in the World. Aufgerufen von http://fortune.com/2017/11/17/richest-country-in-the-world/

Transformers (2018, 1. April) Aufgerufen von http://www.impdb.org/index.php?title=Transformers


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