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Bildkult um Mao

Mao Zedongs Porträt ist in seiner Wirkungsmacht stellvertretend für ein Phänomen, dass auch unsere Leben stark durchdringt. Das Bildnis zeigt, dass das Bedürfnis der Identifikation grösser ist, als die Notwendigkeit kritisch zu hinterfragen. Wir adaptieren Ikonen, um die Komplexität des Lebens zu vereinfachen und in ein leicht verdauliches eindimensionales Paket zu schnüren. Kritisches und vielschichtiges Denken eignet sich nicht als Parole. Es ist in dogmatischen Strukturen schier unmöglich und lässt schwarz-weiss Ideologien bröckeln.

Nieder mit dem Staat – aber bitte beachten sie das Kleingedruckte…








Nehmen wir Che Guevara, der Revolutionsführer aus Kuba. Hat was mit Kommunismus zu tun, aber steht halt so für die Linke – Und übrigens Chef des grössten Erschiessungskommandos in Havanna nach der Revolution. Oder Bob Marley, Reggae Music, Rastafari, Kiffen – One Love – aber übrigens auch eine sehr schwulenfeindliche Religion.

Göttlichkeit Indem wir einer Ikone huldigen, erheben wir dieses Symbol und machen es zu etwas kosmischem Gottähnlichem. Wir nehmen ihm jegliche Verantwortung ab. Denn ‘Gott’ ist unfehlbar. Wir werden zu Mittäterinnen, denn wir akzeptieren die uneingeschränkte Autorität dieses Dings, in welcher Form auch immer. Im Falle von Mao ist es so aussergewöhnlich, weil es nicht nur eine Ikone ist, sondern auch zu einem Herrschermedium transformiert ist. Mit diesem Porträt, welches zentralperspektivisch ausgerichtet ist, vermag er Millionen von Menschen gleichzeitig in seinen Bann zu ziehen, ob sie wollen oder nicht. Auch nach seinem Tod ist er quasi unsterblich.

Gewalt Er hat das chinesische Leben mit solch einer Unnachgiebigkeit komplett durchdrungen, dass ich es auch als eine Form von institutioneller und strukturell politischer Gewalt bezeichnen würde. Eine totalitäre Herrschaftsstruktur kombiniert mit einem Personenkult, dem man sich nicht entziehen konnte. Mit einer Darstellung, die so neutral, zeitlos und ‘göttlich’ ist, wird er dir auf einem Tablett geliefert, gekürt mit einem gütigen Lächeln – und Diktator hin oder her. Wenn du nichts anderes hast…

Instrumentalisierung Ich finde es schwierig, in seinem Fall klassisch von medienethischen Implikationen zu sprechen, weil es aus meiner Sicht nicht als klassisches Medium konzipiert wurde. Mao hat sich mit seinem Bild-Kult instrumentalisiert und seine Ideologien in einen politischen Apparat der Unterdrückung transportiert. Die medienethischen Implikationen treffen für mich erst auf die Produktion, Distribution und die Rezeption von ausländischen Kulturen zu. Also auf uns. Wir haben das Porträt entkontextualisiert und kommerzialisiert. Wir zeigen damit, dass Popularität für den kommerziellen Nutzen eines Bildes eine grössere Rolle spielt, als der historische Hintergrund des Abgebildeten. Ein typisches Markenzeichen unserer Gesellschaft. Abschliessend stellt sich daraus die Frage: Wie stark sind wir eigentlich für unseren eigenen Konsum verantwortlich?


(Dieser Text war mein Schlusswort einer Präsentation in Medienethik II zum Thema Bilder und Medienethische Implikationen.)


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